
Meditations-Grundlagen
In der Kwan Um Zen-Schule stehen vier formelle Zen-Praktiken im Mittelpunkt, die jeweils einen Weg zu Klarheit und Mitgefühl bieten. Diese traditionellen Praktiken werden in Zen-Zentren und verschiedenen Gemeinschaften auf der ganzen Welt, darunter an Universitäten, in Krankenhäusern, in Gefängnissen und bei interreligiösen Zusammenkünften, praktiziert.
1. Sitzmeditation
Körperhaltung
Es gibt einige Regeln, die für alle verschiedenen Sitzhaltungen gelten, die eingenommen werden können:
Die Wirbelsäule sollte gerade sein, die Schultern werden ein wenig zurück genommen und bleiben locker und unverkrampft. Die Ohren sind in einer Linie mit den Schultern, die Augen bleiben geöffnet, der Blick ist gesenkt und ruht ca. einen halben bis einem Meter vor uns auf dem Boden. Die linke Hand wird in die rechte gelegt, die Handflächen zeigen nach oben, die Finger der beiden Hände liegen übereinander. Die Hände formen ein Oval, die Daumen sind oben, sie berühren sich leicht an den Spitzen. Die Mitte des Ovals sollte vor dem Zentrum (jap. Hara; kor. Danjeon = Energiegarten) liegen. Das sanfte Berühren der Daumen und die Form des Ovals helfen, unsere Aufmerksamkeit zu bewahren. Geht sie verloren und wir beginnen zu dösen, öffnen sich unsere Hände, die Daumen oder die Hände sacken herunter. Beginnen wir zu verkrampfen, werden die Daumen gegeneinander gepresst. Daran erkennen wir unser Abschweifen und können zu unserer Praxis zurückkommen.
Sitzmeditation bedeutet ganz still zu sitzen und nur dem Rhythmus unserer Atmung zu folgen. Die einzige gestattete Haltungsänderung während der Sitzmeditation ist das Aufstehen. Eine Haltungsänderung im Sitzen ist nicht hilfreich, da du sonst ständig die Haltung ändern wollen würdest. Das Aufstehen gibt dem Körper die Möglichkeit zu einer kurzen Entspannung, während du mit deiner Aufmerksamkeit weiter ganz im Augenblick bleibst.
Es gibt mehrere Sitzpositionen:
- Beim sogenannten vollen Lotussitz werden die Beine so gekreuzt, dass die Füße auf den Oberschenkeln ruhen.
- Im halben Lotussitz ruht nur ein Fuß auf dem gegenüberliegenden Schenkel.
- Beim sogenannten burmesischen Stil liegen die Füße voreinander auf den Boden und nicht auf den Oberschenkeln.
- Du kannst dich auch auf ein Meditationsbänkchen setzen oder die Kissen zwischen die Beine nehmen, so dass die Knie nicht so stark belastet werden.
- Ein weitere Möglichkeit ist das Sitzen auf einem Stuhl.
Bei allen Varianten kommt es darauf an, eine möglichst stabile Haltung einzunehmen. Dies wird am besten dadurch erreicht, dass man mit beiden Knien und dem Gesäß den Boden (bzw. Kissen/Stuhl) berührt. Für die Meditation ist jedoch das innere Sitzen entscheidend, nicht die äußere Form. Sie ist nur Hilfsmittel, um zur inneren Ruhe zu finden.
Atmung
In allen Meditationstechniken ist der Atem von großer Bedeutung. Die Atmung erfolgt durch die Nase mit geschlossenen Mund. Wir atmen mit dem Zwerchfell und dem Unterbauch, das heißt bei der Einatmung dehnt sich der Unterbauch leicht aus und bei der Ausatmung entspannt er sich wieder. Die Ausatmung ist ca. doppelt so lange wie die Einatmung. Das benötigt etwas Übung und hilft die Energie aus der Kopf- sowie aus der Brust-Region in unser Energiezentrum (Danjeon) zu bringen. Es sollte ein entspannter, natürlicher und leiser Atem sein: Der Atem sollte frei fließen und nicht willentlich gesteuert werden. „Der Atem atmet sich selbst.“
Innere Haltung
Im Buddhismus gibt viele verschiedene Techniken und jede Technik ist wunderbar und hilft uns, unser Leben so zu erleben, wie es ist. Im Zen zählen die Menschen manchmal ihre Inhalationen. In unserer Tradition beginnen wir gewöhnlich mit einer sehr einfachen Phrase, Frage oder Mantra, welches mit dem Atemmuster verbunden werden kann. Das Bewahren einer Frage wie „Wer bin ich?“ oder „Was ist das?“ bei der Einatmung und „Weiß nicht“ bei der Ausatmung heißt auf koreanisch „Hwadu“. Wenn wir uns diese Fragen aufrichtig stellen, dann kommen wir an einem Punkt, wo wir keine Antworten wissen. Dieser Weiß-Nicht-Geist ist der Geist vor dem Denken, wo keine Begriffe und Konstrukte die Wirklichkeit verstellen. Lass alles Denken, alle Meinungen und Wünsche einfach gehen und kehre beständig zu diesem fragenden Geist zurück.
Anleitung zur Zen-Meditation
Sitze stabil auf beiden Gesäßhöckern. Die Wirbelsäule steigt aus dem Becken empor, aufrecht, stabil und zugleich entspannt. Stelle dir am Kopf einen Faden vor, der den höchsten Punkt des Kopfes in Richtung Himmel zieht. Das Kinn ist leicht an die Brust herangezogen.
Die Augen sind geöffnet, dein Blick ruht etwa ½ bis 1 Meter vor dir auf dem Boden. Die Zunge liegt weich hinter den oberen Schneidezähnen. Die Schultern sind entspannt. Die Hände formen etwas unterhalb des Bauchnabels einen Kreis. Die linke Hand ruht in der rechten und die Daumen berühren sich an den Fingerkuppen.
Der Atem ist entspannt und wird langsamer. Fühle, wie sich der Unterbauch beim Einatmen ausdehnt und sich die Lungen mit Luft füllen. Fühle, wie sich der Unterbauch beim Ausatmen
entspannt und die Luft gleichmäßig durch die Nase ausströmt. Lasse deinen Atem frei und natürlich fließen.
Entspanne den Nacken. Entspanne den Kiefer. Es gibt nichts zu tun und kein Gedanke ist so wichtig, dass er gedacht werden müsste. Lass die Gedanken kommen und gehen als wären sie
Wolken am Himmel. Höre jedes Geräusch, das auftaucht – und lass es los. Nimm deinen entspannten Körper wahr – und lass ihn los. Lass alle Gefühle und Gedanken in den Bereich unterhalb des Bauchnabels fallen, den wir Danjeon, Energiegarten, nennen. Bewahre diesen Weiß-nicht-Geist, indem du immer wieder zum Augenblick und zum Atem zurückkehrst.
2. Chanten
In unseren Zen-Zentren leben und üben Menschen gemeinsam. Anfangs kommen sie mit festen Meinungen, starken Neigungen und Abneigungen. Die Rezitations-Meditation ist für viele nicht einfach; viel verwirrtes Denken, viel Mögen und Nicht-Mögen usw. Aber wenn wir die Rezitations-Meditation richtig üben, den Ton unserer Stimme und der Stimmen um uns herum wahrnehmen, wird unser Geist klar. Im klaren Geist gibt es kein Mögen oder Nicht-Mögen, nur den Ton der Stimme. Der Geist ist klar wie ein Spiegel. Rot erscheint: rot. Weiß erscheint: weiß. Jemand ist glücklich: ich bin glücklich. Jemand ist traurig: ich bin traurig. Jemand ist hungrig: gib ihm Essen. Die Bezeichnung hierfür lautet Große Liebe, Großes Mitgefühl, Großer Bodhisattva-Weg, Große Weisheit. Genau das ist Rezitations-Meditation, Zen-Rezitation.
Zen-Meister Seung Sahn
3. Verbeugungen
Das Üben von Verbeugungen führt dazu, dass Körper und Geist sehr schnell eins werden. Es ist außerdem eine sehr gute Methode, um Faulheit, Begierden und Wut aus dem Geist verschwinden zu lassen… Manche Menschen können nicht sitzen. Manchmal liegt das an gesundheitlichen Einschränkungen oder daran, dass sie zu viel nachdenken. Wenn sie dann sitzen, können sie ihr Bewusstsein nicht kontrollieren. Dann sind Verbeugungen sehr gut. Es ist sehr wichtig, den Körper auf diese Weise einzusetzen… Durch das Verbeugen wird unser Karma-Geist, unser denkender Geist, aufgelöst und wir kommen ganz im Hier und Jetzt an, wo wir unsere wahre Natur finden und alle Wesen vom Leiden befreien können. Deshalb ist die Verbeugungsübung so wichtig. Wenn jemand viel Wut, Begierde oder einen faulen Geist hat, sollte er täglich 300, 500 oder sogar 1.000 Verbeugungen machen. Dann wird sein Zentrum sehr stark, er kann sein Karma kontrollieren, beseitigen und klar werden. Das hilft dem Praktizierenden und dieser Welt.
Zen Master Dae Bong
Instructions:
Anleitung:
- Stelle dich aufrecht hin, die Füße zusammen und die Hände in Hapchang (🙏).
- Beuge dich sanft nach unten, bleibe dabei aber in einer aufrechten Position. Setze dich auf die Fersen und halte die Hände in Hapchang.
- Gehe dann auf alle Viere, sodass die rechte Hand vor dem rechten Knie und die linke Hand vor dem linken Knie liegt.
- Beuge dich nun nach hinten und unten, sodass dein Gesäß deine Fersen und deine Stirn den Boden berühren. In dieser Position sollten deine Hände umgedreht sein, sodass die Handflächen nach oben zeigen und die Matte neben deinen Ohren berühren. Der linke Fuß sollte über dem rechten gekreuzt sein. Bleibe einen Moment in dieser Position.
- Rolle dich dann nach vorne und oben, sodass du wieder in die Vierfüßlerstellung gelangst.
- Setze dich auf die Fersen und komme in eine aufrechte Position, wobei du die Hände in Hapchang vor dir hältst und dich auf die Fußballen stützt.
- Gehe in die aufrechte Standposition zurück.
Falls du Probleme mit der Übung hast, kannst du einzelne oder alle Verbeugungen bzw. Niederwerfungen auch durch stehenende Verbeugungen ersetzen, um so die Übung zu erleichtern.
4. Kong-an
Koans (chinesisch: Kung-an, koreanisch: Kong-an, bedeutet „öffentlicher Fall“) haben ihren Ursprung in den Aufzeichnungen von Begegnungen zwischen Zen-Praktizierenden im alten China. Koans sind wahrscheinlich am besten bekannt für die ungewöhnliche, scheinbar nicht-rationale Qualität ihrer Fragen, Sprache und Dialoge, und sind nicht dafür gedacht, konzeptuell studiert oder analysiert zu werden. Das Koan ist ein Werkzeug, das uns hilft, zu unserem „Weiß-Nicht-Geist“ zurück zukehren, so dass wir einfach nur klar wahrnehmen und funktionieren können. Es ist ein wesentlicher Teil der Zen-Praxis.
Jo Ju fragte einmal Meister Nam Cheon: „Was ist der wahre Weg?“ Nam Chon antwortete: „Der Alltagsgeist ist der wahre Weg.“
„Sollte ich also versuchen ihn zu bewahren oder nicht?“ Nam Cheon sagte: „Wenn Du versuchst, ihn zu bewahren, liegst Du schon falsch.“
„Wenn ich nicht versuche ihn zu bewahren, wie kann ich den wahren Weg verstehen?“ Nam Cheon antwortete: „Der wahre Weg ist unabhängig vom Verstehen oder Nicht-Verstehen. Verstehen ist Illusion; Nicht-Verstehen ist Ignoranz. Wenn Du den Wahren Weg des Nicht-Denkens vollständig erlangst, ist er wie der Raum, klar und leer. Also, warum schaffst Du richtig und falsch?“ Jo Ju hörte das und erlangte Erleuchung. Was hat Jo Jo erlangt?
Oft möchten Zen-Schüler es gerne „bewahren“. Das ist ein großer Fehler. Zen heißt, wenn du etwas tust, dann tu es einfach. Du weißt bereits, dass Verstehen Illusion ist. Halte nicht an deinem Verstehen fest! Rechte Praxis heißt: „Wie wird dein Verstehen verdaut und zu Weisheit?“ Das ist wahrer Alltagsgeist. Warum also Kongans benutzen? Da jeder zuviel versteht, müssen wir „Verstehen-Medizin“ anwenden. Was hat Jo Ju erlangt? Deinen Mund zu öffnen ist schon ein Fehler! Aber wenn du nicht denkst, ist die Antwort rein und klar, immer genau vor dir.
Zen-Meister Seung Sahn
Auch wenn viele diese Praktiken als äußerst vorteilhaft und hilfreich empfinden, möchten wir die Teilnehmer daran erinnern, dass Meditation keine notwendige medizinische oder psychologische Behandlung ersetzen kann. Wir ermutigen alle zur Achtsamkeit und Selbstverantwortung für das eigene Wohlbefinden.