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Zen-Meister Wu Bong wurde einmal gefragt: „Was ist am wichtigsten? Er sagte: ‘es versuchen’“. Wir hören und lesen oft von diesem Versuchen, aber was bedeutet es wirklich? 

Ein paar Tropfen

Hier ist eine Geschichte dazu: Eines Tages brach in einem Wald ein schreckliches Feuer aus – ein riesiges Waldgebiet wurde plötzlich von einem wütenden Flächenbrand verschlungen. Verängstigt flohen alle Tiere aus ihren Nestern und Bauten. Sie alle dachten, sie könnten nichts gegen das Feuer ausrichten. Nur ein kleiner  Vogel beschloss, etwas zu unternehmen. 

Er sauste zum Bach, barg ein paar Tropfen Wasser im Schnabel und flatterte zurück zum Wald, um sie auf das Feuer tropfen zu lassen. Dann ging es zurück zum Bach, und wieder zurück zum Wald und wieder und immer wieder. Das rasende Hin- und Herfliegen war so anstrengend, dass der kleine Vogel schließlich vor Erschöpfung starb und sein Körper von den Flammen verschlungen wurde. Es heißt, dass die Götter, die dem Vorgang zusahen, von der Mühe des Vogels derart gerührt waren, dass sie das Feuer löschten.

Das Feuer in uns

In der akuten Klimakrise sehen wir, wie viele Brände rund um den Globus wüten und die Häuser so vieler fühlender Wesen zerstören. Vor kurzem hatten wir einen sehr großen Brand im Raxgebiet –  der größte Waldbrand, den es jemals in Österreich gegeben hat. Die Feuerwehr war über Wochen damit beschäftigt, das Feuer einzudämmen. 

Aber das Feuer hat auch viele sehr gute Zwecke: Seit Millionen von Jahren nutzen wir Feuer, um Licht zu haben, um uns zu wärmen und um zu kochen. Wir haben gelernt, mit dem Feuer zu leben und es so zu nutzen, dass es keinen Schaden anrichtet. Es gibt aber auch ein Feuer in uns. Diesem Feuer schenken wir normalerweise keine Aufmerksamkeit. Es kommt hoch, und – noch bevor wir es sehen oder den Rauch riechen – wütet es bereits, zerstört und schlägt andere innere Wesen in die Flucht. 

Wir sehen uns also mit Ursache und Wirkung konfrontiert, die dazu führen, dass wir uns “verbrennen”. Dieser Brandsatz kann gegen andere gerichtet sein, was zu Zerstörung, Krieg oder Völkermord führen kann. Oder das Feuer richtet sich gegen uns selbst und haben Depressionen, Drogenmissbrauch oder gar Selbstmord zur Folge. 

Wenn wir dieses Feuer als Ursache des Leids erkennen und innewerden, wie es in einem kurzen Augenblick zerstört, was nur in langen Jahren wiederaufgebaut werden kann, wollen wir es sofort auslöschen und ein für alle Mal zum Verschwinden bringen. Vielleicht ringen wir uns sogar zu lebensverändernden Entscheidungen durch, die uns in eine noch schlimmere Situation bringen. – Was können wir tun? Ist es möglich, dieses Feuer so zu nutzen, dass es keinen Schaden anrichtet, sondern vielleicht sogar hilfreich ist? 

Festklammern an der Klippe des Wissens

Mein sechsjähriger Neffe hat derzeit eine Phase, in der er keine Speisen essen möchte, die er nicht kennt. Es scheint, dass es für ihn so sicherer ist und dass er es als riskantes Unterfangen erachtet, in ein seltsam unbekanntes grünes Ding zu beißen, nur weil die Leute drumherum darüber reden: In dem Moment, in dem man hineinbeißt, offenbart sich die Wahrheit. 

Ist das Kind an etwas Neuem interessiert – vielleicht an einem neuen Spiel –, zögert es nicht, es auszuprobieren. Besonders dann, es die Chance gibt, dass etwas Angenehmes dabei herauskommt. Dann ist mein Neffe neugierig und alert. Vielleicht klappt es, vielleicht auch nicht. Alle Sinne sind offen und wach. Uns Erwachsene geht es offenbar ähnlich: Auch wir bleiben gerne in unserer Komfortzone und in einer sicheren Umgebung. Oft ist es gerade die Schau vor dem „Weiß nicht“, die uns daran hindert, Neues auszuprobieren. Haben wir Angst, wir könnten uns verbrennen?

Die Rückkehr zum „Weiß nicht“ – zu diesem Verstand vor dem Denken – ist, als würde man Wasser auf ein Feuer schütten: „Weiß nicht -Wasser“. Wenn wir wirklich nichts wissen, hört all unser Denken auf, all unser Feuer. Die Situation mag hoffnungslos und erschreckend aussehen oder sein. Wir mögen uns niedergeschmettert und am Boden zerstört fühlen, aber die Nutzung dieses „Weiß nicht“ wird für Veränderung sorgen: Mit einem Mal klammern wir uns nicht mehr an der Klippe des Wissens fest. Was dann?

Erneut versuchen

Bei einem Dharma-Vortrag sagte Zen-Meister Ji Kwang einmal: „Probiert es. Wenn es nicht klappt,  probiert es noch einmal. Klappt es dann wieder nicht, probiert es erneut. Klappt es dann noch immer nicht, probiert etwas anderes“. 

Können wir die Klippe loslassen? Vielleicht sind wir mitunter frustriert, wenn diese Praxis nicht funktioniert, wenn eine Diskussion zu nichts führt oder wenn das Fernsehprogramm zu wünschen übrig lässt. Dann sollten wir beobachten, ob wir nicht doch an der Klippe unseres vermeintlichen Wissens festhalten! –  loslassen heißt: Wir sehen, hören, riechen, schmecken und fühlen anders –  von Augenblick zu Augenblick neu. Denn was tun wir hier eigentlich? – Wir wollen versuchen, dieser Welt zu helfen.

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