Jan Sendzimir JDPSN: Brief an einen Studenten (2024)

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Lieber Peter,

vielen Dank für deine E-Mail. Ich bedauere, dass ich so spät antworte, aber die Vorbereitungen für unseren fünfmonatigen Aufenthalt außerhalb Europas haben uns sehr in Anspruch genommen.

Die Frage nach der Ausrichtung deines Lebens ist von grundlegender Bedeutung. Dein Leben, der Sinn für Qualität und Güte drehen sich alle darum, ob dir klar ist, dass du ein gutes Leben führst.

Diese Einsicht, wie man sich mit dieser Frage auseinandersetzt, kann man nicht von einem Lehrer, aus einem Buch, von einer Website oder einem Video lernen, sondern nur von dir selbst. Du bist der ultimative Experte für dein Leben. All dem liegt die Frage zugrunde: Wer ist dieses „Ich”? Wer ist dieser Fragende?

Du kannst zunächst einmal aus einem anderen Blickwinkel auf die Frage „Was bin ich?” schauen. Wie lerne ich, mir selbst zu vertrauen? Wo finde ich die weise Stimme in mir, der ich vertrauen kann, dass sie mir den Weg weist? Eine einfache Möglichkeit, damit zu beginnen, ist, eine Frage zu stellen, die all das auf einen Punkt bringt: dein Herz, deinen Verstand, deine Gefühle, deinen Geist … Alles kommt auf einen Punkt!

Hier ist ein Beispiel für eine solche Frage: „Warum stehst du morgens auf? Wenn du im Bett liegst und über deinen Tag nachdenkst, freust du dich dann darauf, das zu tun, was du tust? Bist du so begierig darauf, deine Arbeit zu beginnen, dass du es kaum erwarten kannst, aus dem Bett zu kommen? Viele Menschen sprechen über die besten Dinge, die sie je getan haben, und die besten Tage ihres Lebens, fast so, als hätten sie keine Wahl gehabt und als hätten sie das, was sie taten, tun müssen. Es war wie eine Naturgewalt, die durch ihren Körper strömte. Wenn diese Begeisterung für das Leben, für die Arbeit, für alles Mögliche … selbst wenn man einfach nur dasitzt und in die Wolken starrt, dann ist diese Begeisterung offensichtlich. Man braucht keine Münze zu werfen oder den Rat einer Person, eines Steins oder eines Baums einzuholen. Fragen wie „Warum aufstehen?” zeigen dir also, wo du gerade stehst.

In unserer Zen-Praxis lautet diese Frage: „Was bin ich?” … Wir halten sie, ohne eine Antwort zu erwarten, und warten mit der Geduld eines Berges darauf, dass die große, verborgene Stimme endlich spricht. Dieses Warten mit offenem Geist nennen wir „Weiß-Nicht“. In diesem großen Raum des Nicht-Wissens kannst du all deine Fragen niederlegen. Arbeit, Mönch, Freundin, Familie … Vielleicht erscheint dann etwas, dem du vertrauen kannst.

Ich vertraue darauf, dass du die Kraft des „Weiß-Nicht“ aufbringen und den richtigen Weg für dein Leben finden kannst. Es war großartig, letzten Sommer mit dir zu praktizieren. Ich freue mich auf das nächste Mal. Bis dahin praktiziere bitte von ganzem Herzen und hilf denen, die Hilfe brauchen.

Beste Grüße aus Wien,

Jan